Amtliches Material
zum Massenmord von
KATYN
Im Auftrage des Auswärligen Amtes auf Grund urkundlichen
Beweismaterials zusammengestellt, bearbeitet und herausgegeben
von der Deutschen Informationsstelle

Zentralverlag der NSDAP. Franz Eher Nachf. GmbH.
Gedruckt im Deutschen Verlag, Berlin
INHALTSVERZEICHNIS
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Übersicht |
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Dokumente |
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I. Der Tatbestand |
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A) Die Auffindung der Massengräber |
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1. Der Abschlußbericht des Feldpolizeisekretärs Voß über die Ausgrabungen der polnischen Offiziere vom 26. 4. 43 |
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2. Vorbericht über den Beginn der Ausgrabungen vom 27. 3. 43 |
18 |
B) Kosi-Gory-Hügel — eine alte Richtstätte der Tscheka |
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3. Protokoll über die Vernehmung des Kuzma Godonow durch die örtliche Feldpolizeistelle |
18 |
4. Protokoll über die Vernehmung des Iwan Kriwoserzew durch die örtliche Feldpolizeistelle |
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5. Protokoll über die Vernehmung des Michael Schigulow durch die örtliche Feldpolizeistelle |
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6. Aus dem Zwischenbericht der Feldpolizei vom 10. 4. 43 |
21 |
C) Antransport und Liquidierung der Opfer im Frühjahr 1940 |
21 |
7. Aussagen Ortsangehöriger über den Antransport der Gefangenen |
21 |
a) Aussage des Russen Kriwoserzew |
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b) Aussage des Russen Sacharow |
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c) Aussage des Russen Silwjestroff |
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d) Aussage des Russen Andrejew |
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8. Polnische Arbeiter entdecken bereits im Frühjahr 1942 die Massengräber ihrer Landsleute. Aussage des Russen P. Kisseljeff |
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9. Die Vereidigung der russischen Zeugen durch das Oberkommando der Heeresgruppe Mitte |
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10. Aus der Aussage des ehemaligen polnischen Oberleutnants Glaeser |
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11. Aus dem Tagebuch des polnischen Majors Solski |
31 |
D) Die Identifizierung der Opfer |
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12. Aus dem Ausgrabungsbericht der Feldpolizei vom 10. 4. 43 |
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13. Schlußbericht vom 10. 6. 43 |
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14. Eine polnische Delegation am Massengrab ihrer Landsleute |
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E) Protokolle und die Obduktionsbefunde des deutschen Gerichtsarztes und der Internationalen Aerztekommission über den Leichenfund |
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15. Bericht des leitenden Gerichtsmediziners Professor Dr. Gerhard Buhtz über die Ausgrabungen von Katyn |
38 |
16. Leichenöffnungsbericht des deutschen Gerichtsarztes |
94 |
17. Protokoll der Internationalen Aerztekommission |
114 |
18. Obduktionsbefunde der Professoren Orsós, Tramsen, Palmieri, Markov, Hájek, Miloslavich, Birkle |
118 |
II. Die Anrufung des Internationalen Roten Kreuzes |
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A) Die Forderung der polnischen Emigranten nach Untersuchung durch das Internationale Rote Kreuz |
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19. Aus der Erklärung des polnischen Generalleutnants Kukiel |
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20. Aus der Erklärung der polnischen Emigranten in London vom 14. 4. 43 |
136 |
B) Der Schritt des Zentral-Ausschusses des polnischen Roten Kreuzes in Warschau |
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21. Telegramm des Polnischen Roten Kreuzes an das Internationale Rote Kreuz vom 21. 4. 43 |
137 |
22. Antworttelegramm des Internationalen Roten Kreuzes an das Polnische Rote Kreuz in Warschau |
139 |
C) Der Briefwechsel des Deutschen Roten Kreuzes mit dem Internationalen Roten Kreuz in Genf |
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23. Telegramm des Geschäftsführenden Präsidenten des Deutscben Roten Kreuzes an das Internationale Rote Kreuz |
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24. Telegramm des Präsidenten des Internationalen Roten Kreuzes an den Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes |
140 |
25. Telegramm des Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes an den Präsidenten des Internationalen Roten Kreuzes |
140 |
26. Telegramm des Präsidenten des Internationalen Roten Kreuzes an den Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes |
140 |
27. Telegramm des Präsidenten des Internationalen Roten Kreuzes an den Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes |
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III. Die politisch-diplomatische Behandlung des Falles durch die Alliierten |
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A) Die polnisch-sowjetische Auseinandersetzung |
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28. Aus dem Zusatzprotokoll zum Abkommen zwischen den polnischen Emigranten und der Sowjetregierung vom 30. 6. 41 |
142 |
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29. Polnische Erklärung über Verhandlungen mit Moskau in den Jahren 1941 und 1942 |
142 |
30. Die Anklage des polnischen Generals Kukiel |
142 |
31. Aus dem ersten Ableugnungsversuch Moskaus |
144 |
32. Aus dem Leitartikel der „Isvestija” vom 17. 4. 43 |
144 |
33. Moskaus Gegenerklärung zu der Anklage des Generalleutnants Kukiel |
145 |
34. Die Erklärung Molotows vom 26. 4. 43 an den Vertreter der polnischen Emigranten in Kuibyschew, Romer |
146 |
35. Aus dem Appell der polnischen Emigranten in London an die Regierung der UdSSR, vom 28. 4. 43 |
147 |
36. Erklärung der polnischen Kommunistin Wanda Wasiljewska, Mitglied des Obersten Sowjets |
148 |
37. Kommentar der schweizerischen „Liberté” zum sowjetisch-polnischen Konflikt vom 27. 4. 43 |
148 |
38. „Nineteenth Century”, Juni 1943, über die russischen Maßnahmen gegen die Polen |
149 |
B) Die Verhandlungen zwischen USA., Großbritannien und der UdSSR. |
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39. Note des stellvertretenden Direktors der pol. Abteilung des französischen Außenministeriums über die russischen Grausamkeilen in Polen vom 18. 5. 40 |
153 |
40. Stellungnahme der „Times” vom 29. 4. 43 |
154 |
41. Die „Times” zu den Besprechungen in London und Moskau vom 4. 5. 43 |
154 |
42. Erklärung des britischen Außenministers Eden vom 4. 5. 43 |
155 |
43. Zurücknahme des Appells der polnischen Emigranten an das Internationale Rote Kreuz vom 30. 4. 43 |
156 |
44. Aus der Rundfunkansprache des Generals Sikorski vom 3. 5. 43 |
156 |
45. Der Brief Stalins an die „New York Times” vom 4. 5. 43 |
157 |
46. Der stellvertretende Außenkommissar Wyschinsky über sowjetrussisch-polnische Beziehungen |
157 |
47. Zurückweisung der Erklärung Wyschinskys durch Raczynski vom 7. 5. 43 |
165 |
48. Aus dem offenen Brief des polnischen Generalmajors Kazimir Schally in der Edinburger Zeitung „Scotsman” vom 11. 5. 43 |
166 |
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IV. Verzeichnis der bis zum 7. Juni 1943 identifizierten 4143 Leichen |
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V. Bilddokumente |
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A) Der Blutwald |
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1. Lage der bisher festgestellten sieben Gräber |
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2. Gesamtübersicht über das Gräberfeld |
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3. Luftbild der Massengräber |
276 |
4. Das Dnjepr-Schlößchen |
277 |
5. Die Ausgrabung |
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6. Der Blick ins Grab |
279 |
7. In neun bis zwölf Schichten übereinander gelagerte Leichen |
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8. Lagerung der Leichen in zahlreichen Schichten übereinander |
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9. Sorgfältige Lagerung der Leichen in den Massengräbern |
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10. Großes Massengrab mit deutlich geschichteten Leichen |
283 |
11. Mehrere dicht nebeneinander liegende viereckige Massengräber |
284 |
B) Die Polen am Grabe ihrer Landsleute |
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12. Obduktion eines von den Bolschewisten ermordeten polnischen Hauptmanns |
285 |
13. Dem ehemaligen Ministerpräsidenten Koslowski wird die Identifizierung einer Leiche demonstriert |
286 |
C) Die internationale Aerztekommission am Tatort |
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14. Die Kommission der europäischen Gerichtsmedizin vernimmt Zeugen des Massenmordes |
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15. Die ausländischen Gerichtsmediziner bei der Leichenöffnung |
288 |
16. Die ausländischen Gerichtsmediziner bei der Indentifizierung einer Leiche |
289 |
17. Prof. Orsós und Prof. Saxén bei der Obduktion |
290 |
18. Prof. Palmieri und Prof. Naville bei der Obduktion |
291 |
D) Das polnische Rote Kreuz am Tatort |
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19. Die Abordnung des polnischen Roten Kreuzes schreitet durch das Gräberfeld |
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20. Die Mitglieder des polnischen Roten Kreuzes in stiller Andacht an den Massengräbern |
293 |
21. Erzdechant Jasinski an den Massengräbern |
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E) Weitere internationale Kommissionen am Tatort |
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22. Europäische Schriftsteller am Tatort |
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23. Einer Kommission kriegsgefangener britischer Offiziere werden die Ergebnisse der Obduktion zugänglich gemacht |
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24. Dieselbe Kommission besichtigt Beweisstücke |
297 |
F) Die Identifizierung der Leichen |
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25. Den Toten werden die vorhandenen Habseligkeiten zwecks Identifizierung entnommen |
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26. Das Lederzeug läßt als erstes in dem Toten einen Mann im Offiziersrang erkennen |
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27. Die gesäuberten Schulterstücke machen diese Leiche als polnischen Major kenntlich (Brigade Josef Pilsudski) |
300 |
28. Die Leiche des Generals Smorawinski (Brigade Josef Pilsudski) |
301 |
29. Die Leiche des Generals Bogaterewicz |
302 |
G) Die Grausamkeiten |
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30. Typischer Einschuß am Hinterkopf eines durch Genickschuß ermordeten polnischen Offiziers |
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31. Einschußstelle eines durch Genickschuß ermordeten polnischen Offiziers in der linken Stirnseite |
304 |
32. Zwei Fälle von dreifachem Genickschuß, Einschüsse |
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33. Ausschüsse bei dreifachem Genickschuß |
306 |
34. Steckgeschosse und Hülsen |
307 |
35. Schmauchhöfe am Mantelkragen |
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36. Fesselung der Hände bei zahlreichen ermordeten Offizieren |
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37. Raffinierte Fesselung der Hände am Rücken |
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38. Die auf dem Rücken gefesselten Hände sind noch deutlich erkennbar |
311 |
39. Vielen der Ermordeten waren die Hände über dem durch Rock und Mantel zugebundenen Kopf gefesselt |
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40. Stichverletzungen mit Bajonett |
313 |
H) Beweisstücke |
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41. Zahllose Beweisstücke sind sorgfältig gesammelt |
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42. Achselstück der Brigade Pilsudski |
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43. Die Mitglieder des polnischen Roten Kreuzes besichtigen die Beweisstücke |
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44. In den Taschen der Opfer gefundene Zeitungen |
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45. Besitzurkunde des Generals Smorawinski |
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46. Zigaretten-Etui des Brigadegenerals Smorawinski |
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47. Lichtbild aus der Tasche eines ermordeten polnischen Offiziers |
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48. Lichtbild aus der Tasche eines ermordeten polnischen Offiziers |
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49. Ein Amulett |
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50. Postkarte der Bronislawa Zielnicka an ihren Mann |
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51. Impfschein des Hauptmanns Dr. med. Chomicki, Ludwig Anton Adolfowitsch |
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52. Legitimation des Kaplans Ksiądz Ziolkowski |
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53. Postsparbuch des Franciszek Biernacki |
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54. Postsparbuch des Majors Niemiec Henry |
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55. Ausweis des Oberleutnants Florkiewicz Zbiegniew |
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56. Legitimation des Oberleutnants Hatacinski |
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57. Ausweis des Hauptmanns Alfred Kozlinski |
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58. Erkennungsmarke des Majors Markus Urlik und des Oberleutnants Florkiewicz Zbiegniew |
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Uebersicht
Der Mord von Katyn und seine Hintergründe
Katyn bezeichnet nicht nur den Ort, an dem der Leidensweg der in sowjetrussische Hände gefallenen Offiziere sein grausiges Ende fand. Katyn bedeutet vielmehr für heute und für die Zukunft ein Mahnmal für Europa: Die einwandfrei nachgewiesene barbarische Liquidierung von Tausenden polnischer Offiziere durch die Sowjethenker macht deutlich, daß die Moskauer Machthaber in ihrem bolschewistischen Staat für alles, was Wert und Rang besitzt, weder Verwendung noch Platz haben. Die Massengräber der unzähligen, aus anderen von Sowjetrußland besetzten Gebieten, etwa den Balten-Ländern oder Bessara-bien, Verschleppten mögen besser getarnt sein; daß auch für diese Unglücklichen der Genickschuß das Ende ihrer Qualen bedeutet hat, kann nach der Tragödie der polnischen Offiziere im Wald von Katyn nicht mehr bezweifelt werden.
Eine unumstößliche Gewißheit erhält indessen Europa: Nur der von den Achsenmächten dem Bolschewismus entgegengebaute Damm kann verhindern, daß die Bewohner der europäischen Länder zu Opfern der bolschewistischen Henker werden.
Die Auffindung der von Lager zu Lager verschleppten, durch Hunger und andere Qualen gepeinigten, durch Genickschuß erledigten und im Massengrab verscharrten polnischen Offiziere im Wald von Katyn sowie die Haltung, die die Moskauer Machthaber und ihre Bundesgenossen in London und Washington dieser Untat gegenüber eingenommen haben, werden im folgenden in nüchternen Angaben, Protokollen und Dokumenten der Welt vor Augen geführt.
1. Die Auffindung von Massengräbern der ermordeten polnischen Offiziere.
Im Sommer 1942 kam einigen polnischen Arbeitern zu Ohren, daß Landsleute von ihnen von den Sowjetrussen in die Gegend von Katyn verschleppt und dort ermordet worden seien (s. Dokument 8). Auf eigene Faust gruben sie nach und fanden tatsächlich Leichen; sie kennzeichneten die Fundstelle durch ein Holzkreuz, schenkten jedoch dem Fund keine weitere Beachtung. Jedenfalls unterließen sie eine sofortige Meldung. Erst im Februar 1943 erfuhr dann die Geheime Feldpolizei, daß sich im Wald von Katyn ein Massengrab befinden
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sollte. Sofort angestellte Untersuchungen bestätigten den Verdacht. Aber erst Anfang April, als es die Witterung erlaubte, konnte mit größeren Ausgrabungen begonnen werden, die ein Verbrechen freilegten, das nur in den Schädelpyramiden der mongolischen Welteroberer seinesgleichen findet. Bis im Juli die Sommerhitze eine Unterbrechung der Ausgrabungsarbeiten notwendig machte, konnten 4143 Opfer geborgen und bestattet werden. Davon wurden 2805 einwandfrei identifiziert. Die Gesamtzahl der in den Gräbern verscharrten Opfer läßt sich mithin noch keineswegs übersehen (s. Dokument 13). Für die Gesamtzahl können die endgültigen Ergebnisse der schaurigen Untersuchung und Zählung abgewartet werden; eine vorsichtige Schätzung läßt aber mit mindestens 10 000—12 000 Opfern der bolschewistischen Mordgier rechnen.
Es handelt sich um eine ganze Reihe von größeren und kleineren Massengräbern, von denen einige Russen, die Mehrzahl indessen Polen, und zwar zu etwa 90 v. H. polnische Offiziere, enthielten. In dem größten Polengrab, das eine Länge von 28 m und eine Breite von 16 m aufweist, wurden in der obersten Schicht 250 Leichen gefunden; darunter befanden sich 11 weitere Schichten von Leichen (s. Dokument 12); dies eine Grab allein enthält mithin annähernd 3000 Opfer. In einem kleineren Grab waren offensichtlich nur höhere polnische Stabsoffiziere vergraben.
Die Leichen liegen mit dem Gesicht nach unten und weisen nach den bisherigen Feststellungen sämtlich Genickschüsse auf.
Einem Teil der Offiziere, die an einer wenige Meter entfernten Grabungsstelle gefunden wurden, waren die Hände auf dem Rücken gefesselt; bei einigen war ein Sack bzw. der Uniformrock über dem Kopf zusammengebunden (s. Bilddokumente 36 bis 39).
Die Offiziere hatten mit wenigen Ausnahmen keine Wertsachen mehr bei sich. In fast allen Fällen konnten jedoch Erkennungsmarken und Ausweispapiere gefunden werden, die eine eindeutige Legitimation der Ermordeten ermöglichen (s. Bilddokumente 51 bis 58).
Es handelt sich also um einen Massenmord polnischer Offiziere aller Rangstufen vom Leutnant bis zum General wobei ein auffallend großer Teil die Traditionslitze der Pilsudski-Regimenter trägt. Unter den übrigen Opfern findet sich unter anderem eine ganze Reihe von Geistlichen.
2. Die sowjetische Entgegnung auf die deutschen Enthüllungen.
Die UdSSR, hat die deutschen Veröffentlichungen über den Mord zunächst mit dem Hinweis abzutun versucht, es handle sich bei den Gräbern von Katyn um prähistorische Funde (s. Dokument 31). Unter dem Druck des deutschen Beweismaterials, das die gefundenen Leichen eindeutig als Polen erkennen ließ, flüchtete sich dann Moskau in die lügnerische Behauptung, diese seien von den Deutschen erschossen worden. Diese Unterstellung wird durch das Protokoll der Internationalen Aerzte-Kommission vom April 1943 widerlegt.
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Hiernach steht fest, daß die Polen schon drei Jahre früher getötet sind (s. Dokument 17) und daß die über den Gräbern angepflanzten Bäume ebenfalls schon 3 Jahre dort stehen. Der deutsche Einmarsch in das Gebiet von Katyn erfolgte jedoch erst Mitte Juli 1941. Das Verbrechen geschah also eindeutig zur Zeit des Regimes der Bolschewisten, die am 17. September 1939 Ostpolen besetzten und erst in der 2. Hälfte 1941 durch die deutschen Offensive dort vertrieben wurden.
3. Die sowjetisch-polnischen Beziehungen.
a) Die Nachforschungen der polnischen Emigranten nach den ermordeten Offizieren
Nach der erwähnten Besetzung Ostpolens durch die Bolschewisten verschwanden etwa 181 000 polnische Militärangehörige in sowjetischen Gefangenenlagern. Die polnischen Emigranten haben sogleich begonnen, nach diesen Gefangenen zu fahnden. Dabei haben sie festgestellt, daß sich unter ihnen etwa 10 000 Offiziere befanden, die in 3 großen Lagern untergebracht waren, und zwar 4500 Offiziere in Kozielsk, 3000 Offiziere in Ostaschkowa und 3920 Gefangene, von denen die meisten Offiziere waren, in Starobielsk (s. Dokument 30). Weiterhin stellten die polnischen Emigranten fest, daß die Sowjetbehörden am 5. April 1940 mit der Auflösung dieser Lager begannen, die bis etwa Mitte Mai dauerte. Die Gefangenen aus Kozielsk wurden in der Richtung Smolensk abtransportiert. (Für die polnischen Feststellungen s. Dokument 30, für die Bestätigung dieser Feststellungen durch die Aussagen der ortsansässigen Russen s. Dokument 7).
Im Zuge der britisch-bolschewistischen Zusammenarbeit kam es am 30. Juli 1941 zwischen den in London unter britischer Aegide zu einer Exilregierung organisierten polnischen Emigranten und der SowjetUNI0N zu einem .Abkommen”. Danach sollten alle in der UdSSR, gefangen gehaltenen Polen amnestiert werden (s. Dokument 28). Soweit sie zum Kriegsdienst tauglich waren, sollte aus ihnen eine eigene polnische Armee im Rahmen des sowjetischen Heeres aufgestellt werden. Als sich bei den aus den polnischen Gefangenen seit August 1941 gebildeten Truppenformationen keiner der Offiziere einfand, setzten erneute Nachforschungen der polnischen Emigranten nach den Vermißten ein. Am 6. Oktober 1941 wurde in Moskau eine Liste mit den Namen der verschollenen polnischen Offiziere überreicht; danach fehlten noch nicht weniger als 8300 Offiziere und 7000 andere Polen. Weiterhin übergab der polnische Emigrantenchef Sikorski bei seinem Besuch in Moskau am 3. Dezember 1941 Stalin eine Liste mit den Namen von 3843 vermißten Offizieren, die durch Mitgefangene zusammengestellt worden war (s. Dokument 30). Im Januar 1942 verlangten die polnischen Emigranten von Moskau die Herausgabe der nach ihren Informationen in die Jakuten-Republik, nach der Franz-Joseph-Insel und nach Nowaja Semlja deportierten polnischen Offiziere (s. Dokument 29). Moskau bestritt — wie wir heute wissen, mit
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Recht — die Deportation. Ein Vierteljahr später, am 18. März 1942, griff auch der Führer der polnischen Truppen in der SowjetUNI0N, General Anders, ein und forderte die Herausgabe der angeblich immer noch gefangen gehaltenen, in Wirklichkeit aber längst ermordeten, polnischen Offiziere. Stalin gab demgegenüber zwar die Versicherung ab, die am 30. Juli 1941 den Polen zugesicherte Amnestie sei ohne Ausnahme gültig (s. Dokument 30); aber auch jetzt tauchte keiner der vermißten polnischen Offiziere bei den polnischen Neuformationen auf — sie lagen längst im Walde von Katyn verscharrt.
Im Januar 1943 entsandten schließlich die polnischen Emigranten eine Kommission nach Moskau; auch ihre Nachforschungen blieben notwendigerweise ebenso ergebnislos wie alle früheren Bemühungen, etwas über den Verbleib der inzwischen ermordeten Polen zu erfahren.
Die deutschen Ausgrabungen bei Katyn haben den Polen endlich die klare und erschütternde Antwort auf ihr über 3 Jahre währendes Suchen gegeben.
b) Die Vernichtungsbestrebungen in der UdSSR, gegenüber den Polen.
Das bolschewistische Verbrechen im Wald von Katyn zeigt nicht allein, daß Moskau vor nichts zurückschreckt, um das soziale Niveau seines Staates auf der Untergrenze zu stabilisieren. Die mit Genickschuß und Massengrab endende Liquidation von Tausenden von Offizieren rundet vielmehr nur die Behandlung ab, die Sowjetrußland seinem polnischen „Verbündeten” hat zuteil werden lassen. Sowjetrußland ist, ebenso wie es die polnischen Anfragen nach den verschwundenen Offizieren auf sich beruhen ließ, auf keine der übrigen Wünsche und Forderungen der Polen eingegangen. Im Gegenteil hat es Moskau an drastischen Maßnahmen gegen die Polen nicht fehlen lassen.
So wurde beispielsweise in den letzten Jahren die polnische Vertretung systematisch dezimiert. Der stellvertretende sowjetische Außenkommissar Wyschinski hat sich nicht gescheut, das bolschewistische Vorgehen gegen die Vertretung des polnischen „Alliierten” ausdrücklich zuzugestehen (s. Dokument 46). Immerhin verzichtete man in diesem Falle auf den Genickschuß und begnügte sich, eine Reihe von Mitgliedern wegen angeblicher Spionage und Verbreitung von verleumderischen Gerüchten und Lügen aller Art gegen die SowjetUNI0N auszuweisen, während andere zu harten Strafen verurteilt wurden.
Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang auch die Moskauer Maßnahmen gegenüber der Masse des polnischen Heeres. Das russische Bestreben zielte nicht nur eindeutig darauf hin, die polnischen Truppenverbände in kleine Einheiten aufzulösen, um ihre Widerstandskraft gegenüber den bolschewistischen Zersetzungsbestrebungen zu schwächen, sondern diese notfalls sogar allmählich auszurotten. So verringerten die Sowjetbehörden im Frühjahr 1942 die Lebensmittelrationen für das aus rund 70 000 Mann bestehende polnische Heer derart, daß sie nunmehr für 44 000 Mann ausreichten (s. Dokument 47).
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Die Geduld, mit der die polnischen Emigranten die bolschewistischen Ausflüchte und Hinhaltungen in der Frage der vermißten Offiziere einerseits, das unqualifizierbare Vorgehen gegenüber allen polnischen Interessen andererseits hinnahmen, erklärt sich aus der hilflosen Lage, zu der sie sich durch ihre Flucht selbst verurteilt hatten. Als sie nun trotzdem angesichts der Ergebnisse der deutschen Ausgrabungen, die ihnen endlich die bis dahin vergeblich gesuchte Klarheit über das Schicksal der polnischen Offiziere brachten, gegen den Massenmord von Katyn aufbegehrten und sich hilfesuchend an das Internationale Rote Kreuz wandten, um sich den bolschewistischen Mord an den polnischen Offizieren bestätigen zu lassen, brach die UdSSR, die Beziehungen zu ihnen mit der Begründung ab, diese Haltung sei vollkommen anormal (s. Dokument 34).
Es handelt sich bei diesem bolschewistischen Vorgehen nicht um Einzelerscheinungen, sondern um Methode, wie sogar die englische Zeitschrift „Nineteenth Century” zugeben muß (s. Dokument 38): Die Polen werden ihrer Führung beraubt; die mit den polnischen Emigranten getroffenen Vereinbarungen und diese Emigranten selbst werden ignoriert; die nach Sowjetrußland geflüchteten Polen werden dezimiert, zersplittert und ihrer Nationalität beraubt; eine „UNI0N der polnischen Patrioten” wird unter russisch-bolschewistischer Leitung ins Leben gerufen. Damit soll der Weg frei gemacht werden für ein sowjetisiertes Polen als bolschewistische Speerspitze gegen das Herz Europas.
4. Die Haltung Englands und der USA. zum sowjetisch-polnischen Konflikt
Ihr verzweifeltes Aufbegehren nützte den Polen indessen nichts, bestätigte ihnen vielmehr nur, daß sie sich zwischen sämtliche Stühle gesetzt haben. Für England war freilich die Garantie für Polen der Vorwand zur Entfesselung des 2. Weltkrieges gewesen. Damit war aber Polens Rolle für England ausgespielt; Polen wurde anderen Interessen geopfert, nämlich in erster Linie den Bolschewisten, und zwar schon zu einer Zeit, als Moskau in die Front gegen Deutschland formell noch nicht eingetreten war. So hat sich England seit Anbeginn bemüht, die bolschewistischen Greueltaten in den seit 1939 besetzten westlichen Nachbargebieten der SowjetUNI0N zu bagatellisieren und zu decken. Bereits im Jahre 1940 hielt die britische Regierung eine englisch-französisch-polnische Erklärung über die von den Bolschewisten in Ostpolen begangenen Grausamkeiten für inopportun (s. Dokument 38).
Eine eher noch größere Zurückhaltung zeigt die Erklärung, die der britische Außenminister nach der Aufdeckung der Mordtat von Katyn zu dem damit ausgebrochenen sowjetisch-polnischen Konflikt abgab (s. Dokument 42). England unternahm in der Folge alles, um diesen Konflikt nicht in Erscheinung treten zu lassen, und setzte ohne Rücksicht auf Menschlichkeit und Gerechtigkeit die polnischen Emigranten unter stärksten Druck. Der im Solde Englands und unter dessen Einfluß stehende General Sikorski sah sich infolgedessen schließlich gezwungen, seinen Appell an das Internationale Rote Kreuz wieder
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zurückzunehmen (s. Dokument 43). Er mußte sich damit begnügen, wie in den letzten 3 Jahren, eine bescheidene Bitte um Aufklärung über das Schicksal seiner Volksgenossen an die Moskauer Regierung richten zu dürfen (s. Dokument 44).
Auch die USA. mischten sich mit Rücksicht auf die Amerika-Polen ein und veranlaßten Stalin zu einem Brief an die „New York Times”. Dieser Brief erwähnte jedoch mit keiner Silbe das Schicksal der von den Polen seit, drei Jahren gesuchten, in den Massengräbern von Katyn verschwundenen Offiziere (s. Dokument 45).
Die Presse Englands und der USA. hat der Welt einzureden versucht, daß die Zurücknahme des Appells des Generals Sikorski an das Internationale Rote Kreuz und der Brief Stalins an die „New York Times” eine Beseitigung der zugespitzten Spannung zwischen der SowjetUNI0N und den polnischen Emigranten bedeute. In Wirklichkeit ist diaser Konflikt in keiner Weise aus der Welt geschafft. Trotz der Zurücknahme des polnischen Appells an das Internationale Rote Kreuz hat der stellvertretende Außenkommissar der UdSSR., Wyschinsky, noch einmal die grausamen Methoden seiner Regierung verteidigt (s. Dokument 46). Daraufhin hat Graf Raczynski erneut die Frage nach dem Verbleib der heute noch in der SowjetUNI0N lebenden Polen aufgeworfen, und der ehemalige polnische Generalmajor Schally hat England und den Vereinigten Staaten in bitteren Worten ihre völlige Gleichgültigkeit gegenüber den von der SowjetUNI0N an den Polen verübten Grausamkeiten vorgehalten (s. Dokument 48). Auch die plötzliche Beseitigung des Generals Sikorski, der Anfang Juli 1943 mit seinem ganzen Stab durch einen Flugzeug ”unfall” ums Leben kam, beweist zur Genüge, daß die Gegensätze keineswegs überbrückt waren, und daß die polnische Gruppe begann, der plutokratisch-bolschewistischen Allianz mehr als lästig zu werden. England und den Vereinigten Staaten ist es peinlich, die Konflikte im Lager ihrer Bundesgenossen zuzugeben. Peinlicher aber noch ist es ihnen, zugeben zu müssen, daß sie praktisch das von ihnen in seinem Bestand garantierte Polen der SowjetUNI0N ausgeliefert haben — ein Memento für die „kleinen Nationen” — und daß sie die bolschewistischen Methoden decken.
Damit wird nicht nur das Kernproblem des sowjetisch-polnischen Konflikts, sondern es wird auch deutlich, welches Schicksal London und Washington Europa zugedacht haben: Der grauenvolle Fund von Katyn sowie die seitdem in Winniza, Odessa und anderen Orten gemachten Funde lassen klar erkennen, was ohne Ansehen des Standes und des Volkstums den Menschen droht, die in die Hände der Bolschewisten fallen. Die Behandlung des Massenmordes von Katyn durch England und die USA. aber zeigt, daß sich diese mit allem abfinden, was in den Ländern geschieht, in denen der Bolschewismus seine Macht errichtet.
Europa wird Katyn nicht vergessen dürfen und nicht vergessen!
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